Aerifizieren - Ein muss für jeden Golfplatz

Wenn es am Anfang der Saison passiert, ist es vielleicht jetzt bereits vergessen. Den einen oder anderen erwischt es noch mal im Sommer - wenn er nicht gerade im Urlaub weit im Süden ist. Aber spätestens nach den Clubmeister- schaften ist fast jeder Golfer davon betroffen. Die Rede ist vom Aerifizieren, was die Grüns zum Schweizer Käse und das Putten zum Glückspiel macht. Zum Verständnis etwas weiter ausgeholt!

Wenn Sie zu den glücklichen Menschen gehören, die in Ihrem Umfeld eine gute Fee oder gar einen Hausprinz haben, bleibt es Ihnen zwar erspart, dennoch werden Sie wissen, dass in einem ordentlichen Haushalt oder Hotel jeden Tag das Bett aufgeschüttelt wird. Der Grund: Das Bettzeug sieht anschließend nicht nur frischer und ordentlicher aus, es macht auch Laune auf Wiederbenutzung. Was ist geschehen? Durch die nächtliche Belastung und das ständige hin und her Wälzen haben sich die Federn oder der sonstige Inhalt insbesondere des Kopfkissens enger aneinander gelegt oder gar miteinander verzahnt. Kurz gesagt, dass Kissen ist verdichtet, die Luft ist raus. Besonders auffällig wird dies, wenn zur Belastung auch noch ein Schweißausbruch in heißen Sommernächten dazu kommt. Das Kissen braucht jetzt dringend frische Luft, wenn es nicht verschimmeln soll! So, oder so ähnlich lässt sich dies auch auf die Golfgrüns übertragen. Die werden zwar nicht nachts belastet, dafür aber umso heftiger am Tage. Maschinen fahren täglich ihre Bahnen, Golfer drehen ihre Runden und Bälle schlagen - so es gelingt - aus großen Höhen auf die Grüns ein. Bodenteilchen, Sandkörner, Wurzeln sowie anderes organisches Material rücken dadurch näher aneinander. Folge davon ist, dass die Hohlräume, so genannte Bodenporen, kleiner werden oder ganz verschwinden. Gerade aber diese Poren sind für das Überleben der winzigen Pflänzchen auf den Grüns essentiell. In diesen Poren wird, je nach Größe, das Bodenwasser auf- und abtransportiert oder es findet der Gasaustausch statt.

Die Wurzeln brauchen für ihre Arbeit frischen Sauerstoff. Verbrauchte Luft, sprich Kohlendioxid oder andere toxische Gase, müssen aus dem Boden entweichen wenn die Wurzeln überleben sollen. Wird das Verhältnis zwischen den Bestandteilen unterhalb der Rasenfläche negativ verändert, spricht der Fachmann von einem gestörten Boden-Wasser- Lufthaushalt. Erste Anzeichen erkennt der geschulte Greenkeeper am Rückgang der Wurzellänge und –masse sowie an der Abnahme der feinen hellen Haarwurzeln. Treten bereits farbliche Veränderungen am Boden bzw. präziser ausgedrückt an der Rasentragschicht auf, ist es bis zur dauerhaften Verschlechterung der Spielbedingungen nicht mehr weit. Damit es nicht soweit kommt, muss der Boden belüftet werden. Leider kann der Greenkeeper seine Grüns nicht täglich aufschütteln wie der ordentliche Hausmann seine Kissen. Im bleibt nichts anderes übrig, als die Luft von oben in die Grüns zu bringen. Meist versucht er das schon während der Saison mit mehr oder weniger kleinen Stacheln bzw. Tines, damit er das Golfspiel so wenig wie möglich beeinträchtigt.

Da die Verdichtungen aber auch in größeren Bodentiefen stattfinden, muss er in der Regel 2-3-mal pro Jahr auch schwereres Geschütz auffahren, zumal zu den vorhanden Bodenbestandteilen auch noch permanente Filzbildung durch die Gräser hinzukommt. Dieser Filz behindert zusätzlich den Gasaustausch und das Eindringen von Wasser in den Wurzelbereich und macht die Grüns in entsprechenden Mengen auch krankheitsanfälliger im gleichen Maße wie ungepflegte Kopfkissen nicht gerade gesundheits- förderlich sind. Welche Vorsorgetherapie der Greenkeeper anwendet, hängt zum einen von seinem Maschinenpark und zum anderen von der „Füllung“ seiner Grüns und deren Benutzungsintensität, vor allem bei ungünstigen Witterungsbedingungen, ab. Beim klassischen Aerifizieren werden aus den Grüns ca. 5-8 cm lange Pfropfen, so genannte Cores, ausgestochen. Je größer die Anzahl und Durchmesser dieser Cores, desto mehr Filz wird entfernt und umso mehr verdichtetes Bodenmaterial kann ausgetauscht werden.

Anschließend müssen die entstandenen Löcher mit einer entsprechenden Menge an geeignetem Material, in der Regel Quarzsand, wieder verfüllt werden. Dieser Sand wird großflächig auf den Grüns verteilt und anschließend eingeschleppt. Da der Sand, je nach Wassergehalt, nicht gleich vollständig in die Löcher rieselt, sondern im Lauf der folgenden Tage nachsackt, sind die Grüns zeitweilig in einem entsprechend unebenen Zustand und sehen aus wie ein Schweizer Käse. Die Kunst des hohen Greenkeepings ist, diese Phase so kurz wie möglich zu halten und den Spagat zwischen Nutzen der Maßnahme für den Erhalt der Grüns und den Interessen der Golfer zu schaffen.

Wenn Sie jetzt fragen, warum die Greenkeeper diese Arbeit nicht zu Jahreszeiten machen, in denen sowieso keiner mehr Golf spielen will, nun, das ist ganz einfach: hohe Bodenfeuchtigkeit und die Neigung zur Bodenverdichtung stehen in engem Zusammenhang, der Schuss kann quasi nach hinten losgehen. Außerdem werden die Gräser durch Aerifiziermaßnahmen zunächst zusätzlich unter Stress gesetzt und müssen sich erholen, bevor es in den krankheitsträchtigen Spätherbst oder Winter geht. Die Greenkeeper und Betreiber bzw. das Management einer Golfanlage stehen damit jedes Jahr von Neuem vor der Aufgabe, den Zeitpunkt, die Anzahl und Intensität der Maßnahmen auf die örtlichen Gegebenheiten, die Entwicklung der Golfgrüns und die Anzahl und Bedürfnisse der Golfer abzustimmen. Dabei gibt es natürlich wie im richtigen Leben immer mehrere Lösungen. Wie bei einem Kopfkissen lässt sich auch bei den Grüns der Bezug, sprich die Rasendecke, durch Rollrasen austauschen oder im Extremfall wird das ungeliebte Kissen einfach durch ein Neues ersetzt. Bevor es auf der nächsten Mitgliederversammlung um das Thema Umlage für Rollrasen oder neue Grüns geht, wird sich der eine oder andere vielleicht doch lieber für eine zeitweilige Beeinträchtigung durch sinnvolle Pflegemaßnahmen entscheiden wollen. Süße Träume auf frischen Kissen bzw. viel Erfolg beim Putten auf regenerierten Grüns, auch wenn ́s mal etwas länger dauert wie das „Aufschütteln".

Text: Greenkeeper Verband Deutschland e.V.

Zurück